Stadt begegnet Klimawandel. Integrierte Strategien für Essen

Ziel der Studie

Unter dem Motto "Stadt begegnet ⁠Klimawandel⁠" ist es das Ziel, ein integriertes Maßnahmenkonzept zur klimagerechten Stadtentwicklung im Ballungsraum zu entwickeln. Dabei sollen innovative Strategien zur Stärkung der kommunalen Handlungsfähigkeit und Nutzung des Planungsinstrumentariums entwickelt sowie ein breiter Beteiligungsprozess durchgeführt werden. Ziele sind

  • die Identifizierung, Abschätzung, Beschreibung und Bewertung der absehbaren Auswirkungen des Klimawandels in den für Essen relevanten Handlungsfeldern,
  • die Definition von Anpassungserfordernissen auf der Ebene Gesamtstadt (auch mit Blick auf die Nachbarstädte) und bezogen auf ausgewählte Quartiere,
  • die Aufstellung eines integrierten Maßnahmenprogramms zum Umgang mit dem Klimawandel,
  • die Entwicklung kleinräumiger Anpassungsstrategien zur Bewältigung des Klimawandels vor Ort und
  • die Anwendung von Szenarien in Modellquartieren, um die mögliche Zukunft von Gebäudestruktur und Gebäudeausstattung, Freiraumgestaltung, Gestaltung des öffentlichen Raumes, Städtebau und Stadtplanung aufzuzeigen.

Erscheinungsjahr

Untersuchungsregion/-raum

Bundesland Nordrhein-Westfalen
Räumliche Auflösung 

Stadt Essen

Verwendete Klimamodelle / Ensembles

Emissionsszenarien A1B SRES-Szenario
Klimamodelle SRES
Ensembles ja
Anzahl der Modellläufe nicht dokumentiert
Regionales Klimamodell 

CLM, STAR2, WETTREG, REMO10

Weitere Parameter 

Temperatur, Niederschlag, klimatische Ereignistage

Zeitraum 

2051-2060, 2071-2000

Klimawirkungen

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Menschliche Gesundheit
    • Hitze- und kälteabhängige Erkrankungen oder Mortalitäten
    • Gesundheitliche Auswirkungen von UV-Strahlung
    • Gesundheitliche Auswirkungen von aerogenen Stoffen
    • Vektorübertragene Krankheiten
    • Gesundheitliche Auswirkungen verminderter Trinkwasserqualität und Lebensmittelsicherheit

„Für die menschliche Gesundheit stellen insbesondere die Zunahme von Hitzetagen, Tropennächten und Hitzeperioden ein Gesundheitsrisiko für die in der Stadt lebende Bevölkerung dar.“ (S. 60)
„Gesundheitliche Risiken sind weiterhin durch mangelnde Regeneration (Beeinträchtigung von Schlaf und Erholung in den sog. „Tropennächten“), belastende UV-Strahlung (Sonnenbrand und verstärktes Hautkrebsrisiko) und durch die Erhöhung von Luftschadstoffkonzentrationen wie Ozon oder Feinstaub bei Hitzeperioden (Reizung der Schleimhäute, Atemwegserkrankungen) zu erwarten.
Zu den indirekten Auswirkungen zählen verstärkte allergische Reaktionen auf Grund der Verlängerung der Vegetationsperiode sowie durch die Veränderung von Flora und Fauna. Durch mildere Temperaturen wird die Einwanderung und Einschleppung sowie Verbreitung von Arten begünstigt und das allergene Potenzial erhöht. Ein Beispiel dafür ist die Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia).
Die zunehmende Erwärmung kann weiterhin zu vermehrten Infektionen durch z.B. Viren und Bakterien infolge der Ausbreitung von tierischen Überträgern (Vektoren) führen. So breitet sich die Zecke als Überträger der Borreliose und Frühsommer-Meningitis (FMSE) nach Norden und in höhere Lagen aus. Bei FSME haben sich nach Beobachtungen die Risikogebiete in den letzten zehn Jahren etwa 100 Kilometer nach Norden verschoben.
Darüber hinaus wird befürchtet, dass mit Lebensmitteln zusammenhängende Infektionen zunehmen, wenn die Temperaturen steigen.“ (S. 61f.)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Raumordnung, Regional- und Bauleitplanung

„Risiken wurden in der Überplanung von Flächen mit positivem Klimapotenzial und Ausgleichsfunktionen gesehen. Anderseits sollte der Klimawandel nicht ausschließlich als Bedrohung angesehen werden, sondern als ein Aspekt, den man nutzen sollte, um eine dem Klima angepasste, qualitätsvolle und ausbalancierte Stadt zu entwickeln.
Das Leitbild einer nachhaltigen, freiraumschonenden und umweltverträglichen Siedlungsentwicklung (Innenentwicklung vor Außenentwicklung) sollte weiterhin die wesentliche Zielausrichtung sein und weiterentwickelt werden. In den Fokus gerückt wurde das Prinzip der „doppelten Innenentwicklung“ mit einer verträglichen Dichte und Schaffung erreichbarer Grün- und Freiflächen, die wesentlich zur Lagequalität und Bewohnbarkeit der Städte beitragen.
Ein Aspekt in den Diskussionen bezog sich auf Unsicherheiten in der Planung, da nicht genau vorhergesagt werden kann, wie genau und welche der Klimaprojektionen unter der Vielzahl der einbezogenen Parameter so eintreffen. Dies gilt besonders für finanzträchtige Entscheidungen über Infrastruktureinrichtungen wie Trinkwasserversorgungsleitungen oder die Dimensionierung von Niederschlags- und Abwassersystemen. Ähnliches gilt u.a. für die Vorsorge bei Katastrophenfällen, beispielsweise durch mögliche Hochwasserereignisse mit Dammbrüchen, mit potenziellen Folgen wie Unterbrechungen von Zuwegen zu betroffenen Stadtteilen bzw. umgekehrt zu Krankenhäusern und Evakuierungseinrichtungen.“ (S. 74)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Wasser
    • Grundwasser
    • Gewässerzustand von Oberflächengewässern
    • Abflussverhältnisse (von Oberflächengewässern)
    • Wasserverfügbarkeit
    • Abwasserbewirtschaftung / Entwässerung

„Als Folgen von Starkregenereignissen sind verstärkt Überschwemmungen, Überlastungen des Kanalnetzes mit Überstau und Überflutungen von Straßen und Kellern zu erwarten, wie sie auch in jüngster Vergangenheit häufiger zu beobachten waren. […] Aufgrund der Niederschlagsentwicklung steigt tendenziell die Grundwasserneubildungsrate an. Dies kann insbesondere in den Poldergebieten im nördlichen Stadtgebiet mit ohnehin hoch anstehendem Grundwasser zu zunehmenden Risiken wie Kellervernässungen führen. Auf der anderen Seite kann es als Folge von Trockenperioden zu Niedrigwasser und bei kleineren Gewässern bis zum Trockenfallen kommen, z.B. Schönebecke und ein Teil der ökologisch umgebauten Emscherzuflüsse. Hierdurch können Biozönosen (Lebensgemeinschaften von Arten, die an bestimmte ökologische Faktoren gebunden sind) beeinträchtigt oder gar zerstört werden. […]Eine zunehmende sommerliche Erwärmung der Gewässer fördert zudem Eutrophierungen mit Verringerungen des Sauerstoffgehaltes und führt somit zu einer Verschlechterung der Gewässergüte.“ (S. 96f.)
„Für die Trinkwasserversorgung stellte sich die Frage hinsichtlich der Versorgungssicherheit in Trockenperioden aufgrund einer Verringerung des Wasserdargebotes und einer möglichen Verschlechterung der Rohwasserqualität. Ob die Erwärmung von Trinkwasserleitungen zu Verkeimungen führt, war eine weitere Fragestellung.“ (S. 98)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Biologische Vielfalt
    • Arten und Populationen
    • Biotope, Habitate, Ökosysteme

„Folgen für die Natur:
- Verlagerung der Klimazonen nach Norden oder „nach oben“ – Arealverschiebungen
- Verahltensänderungen (z.B. Vogelzug)
- Einwanderung gebietsfremder Arten, Verlust gebietseigener Arten
- Entstehung neuer Lebensgemeinschaften mit neuer Artenkombination
- Schätzung: Zwischen 5 bis 30 % der Arten könnten aussterben (Klimawandel ist dabei zusätzlicher Belastungsfaktor)
- wärmeliebende Arten breiten sich aus, z.B. Wespenspinne, Bienenfresser, Robinie, Beifuß-Ambrosie“ (S. 125)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Landwirtschaft
    • Agrophänologie
    • Ertrag und Qualität der Ernteprodukte
    • Pflanzengesundheit

„Folgen für die Landwirtschaft:
Anstieg Temperatur
- Verlängerung Vegetationsperiode
- Neue Sorten (Wärme liebende, Hitze tolerante Kulturen)
- Vorteil: mehr Grünlandschnitte, längere Reifephasen
- Nachteil: Spätfröste, fehlender Frost im Winter, Hitzesommer
Anstieg Niederschlag vs. Trockenperioden:
- Vorteil: bessere Wasserverfügbarkeit durch Niederschlagszunahme
- Nachteil: Extremereignisse, Erosion
- Verbreitung von Schaderregern
- Nachteilig: längere Trockenperioden (Bewässerungsbedarf, Ernteeinbußen)“ (S. 126)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Wald- und Forstwirtschaft
    • Baumartenzusammensetzung
    • Vitalität / Mortalitätseffekte

„Folgen für die Forstwirtschaft:
- Veränderte Standortbedingungen, z.B. Konkurrenzverschiebungen zwischen den Baumarten je nach Wasserversorgung der Standorte
- evtl. Biomassezuwachs oder Beeinträchtigung der Vitalität, z.B. Pilzbefall
- Ausbreitung von (neuen) Schädlingen
Extremereignisse, Zunahme Waldbrandgefahr, Trockenstress, Frosttrocknis“ (S: 126)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Boden
    • Bodenwasserhaushalt
    • Bodenwärmehaushalt
    • Bodenstoffhaushalt
    • Bodenstruktur

„Folgen für Böden:
- Veränderungen der Bodentemperatur und des Bodenwassergehaltes
- Veränderungen der potenziellen Wasser- und Winderosionsgefährdung
- Veränderungen der Humusgehalte, veränderte Abbauprozesse“ (S. 126)

Klimawirkungen in Handlungsfeld
  • Industrie und Gewerbe
    • Betriebsanlagen (Assets)
    • Produktivität und Logistik
    • Arbeitskräfte und Beschäftigte
    • Rohstoff-, Wasser- und Energieversorgung
    • Wettbewerbsfähigkeit

„Flächen und Gebäude: Unternehmensstandorte sind vielfältigen Einflüssen des Klimawandels ausgesetzt. Hochwasser, Starkregen, Stürme, etc. können erhebliche Schäden an Flächen und Gebäuden sowie Störungen im Betriebsablauf hervorrufen.
Technologie- und Marktentwicklung: Die Identifikation aktueller Trends und die Erschließung neuer Märkte und Geschäftsfelder können für einen signifikanten Wettbewerbsvorteil sorgen. Damit kann der Klimawandel auch Chancen für ihr Unternehmen eröffnen.
Produktion und Mitarbeiter: Industrielle Produktionsprozesse und Unternehmensaktivitäten sind teilweise in hohem Maße von dem Klima abhängig (z.B. Niederschlag, Temperatur, Luftfeuchte). Veränderungen der klimatischen Bedingungen beeinflussen somit auch die Produktivität.
Erreichbarkeit und Versorgung: Die Auswirkungen des Klimawandels können insbesondere im Bereich der infrastrukturellen Versorgung Störungen verursachen. Dabei beeinträchtigen Einschränkungen der Erreichbarkeit und der Versorgung verschiedene Unternehmensbereiche.“ (S. 142)

Methodischer Ansatz

Kurzbeschreibung des methodischen Ansatzes 

Das Vorgehen war prozesshaft angelegt, einerseits durch einen breiten Beteiligungsprozess während der Bearbeitung in fachspezifischen Arbeitsgruppen, Forschungs- sowie Szenarienwerkstätten und anderseits durch das gezielte Aufsuchen von aktuellen Stadtentwicklungsprozessen und Planungsvorhaben. Dieses Vorgehen wurde gewählt, um das Thema Klimaanpassung zu positionieren, entsprechende Strategien zu entwickeln sowie Aspekte und Maßnahmen zur Klimaadaption einzubringen und hierbei auch sogenannte „Gelegenheitsfenster“ zu nutzen.
Schwerpunkte des Modellvorhabens ergaben sich aus den Ermittlungen von Vulnerabilitäten (d. h. Verwundbarkeiten oder Verletzbarkeiten) für die Themenfelder Hitze und Wasser. Hierbei wurden besondere Risikobereiche und betroffene Bevölkerungsgruppen ermittelt und Maßnahmen für die damit zusammenhängenden Handlungsfelder der Stadtentwicklung wie Gesundheitswesen, Stadt- und Freiraumplanung, Wasserhaushalt/Wasserwirtschaft abgeleitet.
Zusätzlich zu den Arbeitsgruppen und Forschungswerkstätten, die sich mit den Fragestellungen wie z. B. Gesundheit, Wasserhaushalt und -infrastruktur oder Umweltprüfung sowie der kontinuierlichen Aufbereitung für ein gesamtstädtisches Maßnahmenprogramm beschäftigten, lag ein zusätzlicher Schwerpunkt des Essener Modellvorhabens in der vertiefenden Betrachtung ausgesuchter Stadträume und Modellquartiere mit Hilfe von Szenarien und Modellsimulationen.

Analysekonzeptansatz kein Ansatz genannt
Komponenten im Analysekonzept  Klimawirkung, Vulnerabilität, Chancen und Risiken
Methodik zur Operationalisierung Qualitative Informationen (z.B. Experteninterviews), Andere Methoden

Wer war oder ist beteiligt?

Herausgeber Stadt Essen, Umweltamt
Förderung / Finanzierung Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
Kontakt 

Stadt Essen, Umweltamt; Institut für Stadtplanung und Städtebau und der Angewandten Klimatologie und Landschaftsökologie der Universität Duisburg-Essen; Deutscher Wetterdienst (Niederlassung Essen)

Bibliographische Angaben 

Stadt Essen, Umweltamt (Hg.); Institut für Stadtplanung und Städtebau und der Angewandten Klimatologie und Landschaftsökologie der Universität Duisburg-Essen, Deutscher Wetterdienst (Niederlassung Essen) (Bearb.), 2014: Stadt begegnet Klimawandel. Integrierte Strategien für Essen. Dokumentation des Bundesmodellvorhabens StadtklimaExWoSt und Entwurf eines Strategie- sowie Maßnahmenkonzept zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Essen

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Handlungsfelder:
 Biologische Vielfalt  Boden  Industrie und Gewerbe  Menschliche Gesundheit und Pflege  Raumplanung, Stadt- und Siedlungsentwicklung  Wald- und Forstwirtschaft  Wasserhaushalt und Wasserwirtschaft